Mord nach Missbrauch by Volker Himmelseher

Autor:Volker Himmelseher
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9788494150135
Herausgeber: Zech Verlag
veröffentlicht: 2014-04-02T00:00:00+00:00

18

Jordi Serrat stand schon um 6 Uhr 30 auf. Er war zu aufgeregt, um länger liegen zu bleiben.

Im lokalen Radiosender hörte er zum ersten Mal an diesem Tage den Suchaufruf nach Pater García Talavera. Es schien ihm fast wie Gedankenübertragung, denn er wollte den Priester nun oben im Gebirge aufsuchen. Nach längerer Zeit ohne Lebenszeichen hatte die Polizei anscheinend die Suche nach dem Vermissten verstärkt und schickte nun in kurzen Abständen ausführliche Fahndungsberichte über den Äther, mutmaßte Serrat. Es gab diesen Meldungen zufolge zu seiner Beruhigung noch immer keine Anzeichen für eine Entführung des Geistlichen. Sie verwiesen nur darauf, dass die Lage von Pater García Talavera ohne Medikamente stündlich kritischer würde, sollte er irgendwo verunfallt sein. Der Radiosprecher betonte diese mögliche Lebensgefahr mehrmals mit gewichtiger Stimme.

Auf demselben Sender hörte Jordi Serrat auch die Nachricht vom gewaltsamen Tod der Karnevalistin. Die Leiche war also bereits gefunden worden. Der Radiosprecher äußerte die Vermutung, dass der Mörder bestimmt ein Karnevalsgegner sei, und berichtete, man wolle eine Sonderkommission einsetzen, um ihn zu jagen und schnellstmöglich dingfest zu machen.

'Na dann, Waidmannsheil!' Serrat grinste vor sich hin und machte sich mit Appetit über sein Frühstücksei her.

Seine frühmorgendliche Zeitungslektüre brachte ihm noch eine zweite Nachricht über den Priester. Die Zeitung El Día hatte im mittleren Teil einen Aufruf im Namen der katholischen Kirche formuliert:

'Der vermisste Priester aus La Laguna benötigt dringend ein Schilddrüsen-Medikament! Üblicherweise benutzt er das lebenswichtige Hormon mit der Bezeichnung Thyroxin Henning 200 in Tablettenform. Wenn eine ausreichende Versorgung über mehrere Tage ausbleibt, hat das lebensbedrohende Folgen für den in der Universitätsstadt beliebten Pater. Die Bevölkerung wird aufgefordert, bei den zuständigen Polizeidienststellen auffällige Beobachtungen, etwa in Apotheken, Arztpraxen oder in Krankenhäusern, sofort zu melden.'

Jordi Serrat machte dieser Aufruf endgültig klar, dass er seinem ehemaligen Lehrer keine Medikamente besorgen durfte. Er würde sich sonst selbst in Gefahr bringen. Die Entführung des Priesters allein war schließlich schon eine kriminelle Handlung. Dass es bei einer Enttarnung zu Rückschlüssen auf die tote Karnevalistin käme, war nicht zwingend vorherzusehen, aber zu befürchten.

Bevor Serrat ins Gebirge fuhr, ging er wieder zum Supermarkt, um wenigstens einen Kanister frisches Trinkwasser zu kaufen. Auf der Fahrt zum Höhlenhaus hörte er im Radio ein weiteres Mal die Meldung über den verschwundenen Priester. Er suchte verstimmt und ein wenig beunruhigt über so viel Getöse mit dem Regler einen anderen Sender, denn er wollte sich gerade heute die Laune nicht verderben lassen.

Es sollte sein Tag werden! Seit langem fühlte er sich wieder einmal gutgelaunt und frohen Mutes. Als nun aus dem Lautsprecher ein neuer Karnevalshit ertönte, summte er die Melodie vergnügt mit. Unten am Ozean ließ er die elektrischen Fensterscheiben herunter. Er hatte endlich wieder einmal Lust, den Geruch von Seeluft zu schnuppern und dem Kreischen der Möwen zu lauschen.

Von seiner heutigen Begegnung mit Pater García versprach er sich viel. Sie würde ganz anders werden als die vorhergehenden. Er fühlte sich nach seiner erfolgreichen Tat dem Pater erstmals überlegen. Er hatte dessen Bewertung der Frauen nicht nur übernommen, sondern zusätzlich mit dem Tod eines Opfers Konsequenzen gezogen, die der Priester nicht vorweisen konnte.

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